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Demand / Gerszewski / Roczek / Wienert – Serve Music plays 'Treatise' by Cornelius Cardew
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“Notation ist eine Möglichkeit, um Menschen in Bewegung zu bringen. Wenn euch andere Mittel fehlen wie Aggression
oder Überredungskunst. Notation sollte dies bewirken. Das ist der lohnendste Aspekt der Arbeit des Aufzeichnens.
Beunruhigend ist: Genauso wie du findest, daß deine Klänge zu fremd sind, weil für eine ‚andere
Kultur‘ bestimmt, entdeckst du dasselbe an deiner wunderbaren Notation: Keiner ist gewillt, sie zu verstehen.
Keiner bewegt sich von der Stelle.” 1
Mit dieser Problematik sah sich Cornelius Cardew konfrontiert, als er im Februar 1963 begann, eine andere “Notation
für Klänge” 2 zu finden. Zu diesem Zeitpunkt waren weder
Umfang noch Titel der seinerzeit außergewöhnlichen Arbeit klar. Erst ein Eintrag in den Working Notes ein
knappes halbes Jahr später, vom 14. Juni 1963, nennt Treatise erstmals als Titel. Wesentlich beeinflußt war
dieser von Ludwig Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus, den Cornelius Cardew mit 23 Jahren in die Hände
bekam und der ihn tief beeindruckte 3 Klar war von Anfang an, daß die
Komposition gänzlich aus sich selbst heraus funktionieren sollte, ohne Einleitung oder Hinweise für die ausführenden
Musiker, denen sie nicht mehr “sklavisch” (C. Cardew) zu folgen hatten. Dafür galt es, nicht weniger
und nicht mehr als eine neue Schriftform für Musik zu entwickeln, eine, die in der Lage war, solche “Bewegung” in
Gang zu setzen. Zwar gab es seit Earl Browns Folio-Stück November 1952 seit gut zehn Jahren verschiedene Beispiele
musikalischer Grafik, die auf das kreative Potential von Interpreten zielten, Arbeiten etwa von John Cage, Morton
Feldman oder auch Roman Haubenstock-Ramati. Doch Cardews Anspruch des “In-Bewegung-Bringens” war umfassender.
Zum einen geriet während der fünfjährigen Ausarbeitung von Treatise die Tätigkeit des Komponierens
selbst in Bewegung, avancierte zum Forschungsprojekt, zur “wissenschaftlichen Abhandlung” (treatise = zu
deutsch: wissenschaftliches Traktat), komplettiert durch schriftliche Aufzeichnungen zum Projekt. Als Treatise Handbook
sind diese vier Jahre nach Beendigung der Komposition erschienen 4. Der erste
Teil enthält neben den tagebuchartigen Working Notes (notiert zwischen 6. Februar 1963- 20. Januar 1967) und einem
ebenfalls tagebuchartig angelegten Résumé of pre-publication performances (notiert zwischen Juni
1964-69. Mai 1967) den berühmten Aufsatz Towards an Ethik of Improvisation von 1971. Zweitens negierte Cardew mit
dieser graphischen Partitur erstmals - und über seine amerikanischen Kollegen hinausgehend - die qualitative Grenze
zwischen professionellen Musikern und Laien, zwischen dünkelhaftem Spezialistentum und Allgemeinheit. In jenem Aufsatz
Towards an Ethik of Improvisation schrieb er: “Am besten sollte solche Musik von einer Gruppe musikalisch Unwissender
(Unschuldiger) gespielt werden. [...] Meine dankbarste Erfahrungen mit Treatise sind durch Leute entstanden, die
durch einiges Glück a) eine bildkünstlerische Ausbildung erworben haben, b) einer musikalischen Ausbildung
entronnen sind und c) nichtsdestotrotz Musiker wurden, die Musik mit der ganzen Überzeugung ihres Seins spielen.” 5 Und
er negierte die Trennung von Komposition, Interpretation und Improvisation, zwischen Komponist und Musiker. Eine
wahrlich revolutionäre Tat in den frühen 60er Jahren. Bewegung fand also auch in sozialem Sinne statt durch
die Aufhebung von “(Berufs)Klassen”schranken. Bewegung aber auch als Aufhebung von Herrschaft durch eine
Partitur in Form detaillierter Noten- und Interpretaionsanweisungen wie auch durch die Vorschrift spezieller Instrumente: “Eine
beliebige Zahl von Musikern, nutzend jede Art von Medium, ist berechtigt, diese Partitur zu “lesen” (...),
und jeder ist berechtigt sie auf seine Weise zu interpretieren.”, lautet ein Eintrag im May 1965 6. Für
die Musiker selbst zielte diese Bewegung - viertens - in zweierlei Richtung: nach innen zur eigenen Kreativität
und nach außen in Richtung musikalischer Kommunikation, die auf Menschlichkeit basiert was meint: zuhörendes
und reagierendes Verhalten als Voraussetzung für ein sinnvolles Musizieren bzw. Improvisieren. Letzteres verstand
Cardew als “höchste Art musikalischer Aktivität”. Gerade im Zusammenhang mit Treatise hielt er
als zu entwickelnde Tugenden eines Musikers fest: “Einfachheit”, Integrität”, Selbstlosigkeit”,
Geduld und Nachsicht”, “Toleranz”, “Bereit-Sein”, “Akzeptieren des Todes” 7.
Hintergründe
Als Cornelius Cardew die Aufzeichnungen zu Treatise begann war er 26 Jahre alt. Er hatte an der Royal Academie of
London Klavier, Cello und Komposition studiert und war wegen ihres Konservatismus gleich anschließend zwei
Jahre nach Deutschland gegangen, wo sich - in Darmstadt und Köln - die internationale Avantagarde traf. Als Assistent
von Karlheinz Stockhausen (1958-60) war Cardew in dieser Zeit wesentlich an der Ausarbeitung von Stockhausens zweiten,
großen Raummusik, Carré für vier Orchester und vier Chöre, beteiligt. Gleich zu Beginn seines
Deutschlandaufenthalts - 1958 in Köln - lernte er auch John Cage und David Tudor kennen und durch sie wiederum
frühe Werke von Morton Feldman, Earl Brown, Christian Wolff und La Monte Young. Auch hatte Cardew 1958 bei einer
Aufführung von John Cages Concert for Piano and Orchstra von 1957-58 im WDR Köln als Korrepetitor mitgewirkt.
Tief beeindruckt von der Offenheit der Cageschen Haltung zum Klang wie überhaupt von den offenen Zeitkonzepten
jener amerikanischen Avantgarde und ihren Impulsen durch aufführungspraktische Freiheiten begann er - als Cellist
und Pianist - nicht nur als einer der ersten Interpreten in Europa deren Kompositionen zu verbreiten, sondern entwickelte
- als Komponist - eigene Alternativen zum kontrollierten europäischen Serialismus und dessen fixierten Aufzeichnungsformen.
Erstes Zeugnis dieser Umorientierung sind die noch 1958 in Köln komponierten Two Books of Study for Pianists, Höhepunkt
dieser Suche nach einer selbstbestimmten musikalischen Freiheit ist Treatise. “Cardew”, so schrieb Michael
Parsson 1996 “begann die Bedeutung und Konsequenzen von “inditerminacy” zu erforschen [...]: anstatt
sich darauf zu beschränken, die Methoden von Cage und der anderen Amerikanern zu integrieren, faßte er sie
weiter und baute sie in neue Richtungen aus.” 8 Diese neuen Richtungen
manifestieren sich wesentlich in Cardews Versuchen, Musik wieder “in Bewegung” zu bringen.
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Entscheidende Anregungen erhielt Cardew für die Entwicklung einer von Insiderwissen freien Aufzeichnungsform durch
seine damalige Tätigkeit als Graphik-Designer in einem Londoner Verlagshaus. “Mir wurde die potentielle Beredtheit
von einfachen schwarzen Linien in einem Diagramm bewußt”, schrieb Cardew am 15. Januar in seinem Treatise
Handbook. “Dünne, dicke, gebogene, unterbrochene Linien und dann die verschiedenen Töne von Grau, bestehend
aus prallelen Linien gleichen Abstands, und dann Zahlen, Wörter, kurze Sentenzen wie blumige, literarische, artnouveau-verwandte,
visuelle Eindringlinge in den reinen graphischen Kontext des Diagramms. Kürzlich, als wir gerade eine Aufführung
vorbereiteten, fiel mir plötzlich auf, daß die Verwendung des Radios als Musikinstrument ähnlich ist
dem Erscheinen solcher Muster in einem Diagramm. Es ist ein vorproduziertes, in sich stimmiges Element unter einer ganzen
Menge von rohem Material.” 9 Zudem war Cardew durch seine Frau Stella, eine Malerin, wie auch durch zahlreiche
seiner Freunde wie den Licht- Künstler Mark Boyle oder die Maler Tom Philipps und Noel Forster überhaupt an
visuellen Kunstformen interessiert. Nicht zuletzt durch diese Freundschaften war er auch in eine revolutionär zu
nennende Entwicklung in den zutiefst konservativen englischen Kunst-Colleges seit Beginn der 60er Jahre involviert, in
deren Zentrum das Aufbrechen von Barrieren zwischen den einzelnen Disziplinen stand. Für die Entwicklung einer englischen, experimentellen Musik, die sich an visuellen Darstellungen
und performativen Prozessen orientierte und von Cornelius Cardew in den 60er Jahren wesentlich mitgetragen wurde,
gingen davon entscheidende Impulse aus. 10 Hinzu kam vor allem in Westeuropa “eine
politische Radikalisierung der Neuen Musik [...]. Eine linke Radikalisierung, die auch dem Zeitgeist geschuldet war,
aber darin nicht aufging.” 11 Politisch manifestierte sie sich in
den Studentenunruhen von 1968/69, musikalisch etwa in der Gründung des Scratch Orchestra 1969 durch Cardew, Howard
Skempton und Michael Parsson, jener historisch einmaligen Vereinigung von Komponisten, Berufsmusikern, Laien, bildenden
Künstlern und Schauspielern, deren Aufführungen neue Musik und Sozialkritik ineins setzten.
Erstaunlich ist der Antizipationsgehalt von Treatise, gerade in seiner ästhetischen Einheit von sozialer Kritik und
Utopie. Weder existierte zu Beginn des Jahres 1963 auch nur die Idee von einem Scratch Orchestra noch gab es das musikalisch
nicht weniger radikale Improvisationsensemble AMM, das von Eddie Prévost, Keith Rowe und Lou Gare erst 1965 gegründet
wurde. Cornelius Cardew, wesentlich inspiriert durch seine Arbeit an Treatise, stieß erst 1966 hinzu. Ebenso kristalliserten
sich seine politischen Überzeugungen in Richtung eines marxistischen Denkens erst Anfang der 70er Jahre. 1971 begann
er Marxismus, besonders Christopher Caudwell und Mao Tse-tung, zu lesen, 1973 wurde er in konsequenter Umsetzung der maoistischen
Gedanken Mitglied der Peoples Liberation Music Groupe (Laurie ScottBaker, John Marcangelo, Hugh Skrapnel, Keith Row u.a.
angehörten), einer Gruppe von Musikern, die ihr Talent in den Dienst des Kampfes der Arbeiterklasse zu stellen suchten.
Im Grunde politische Überzeugungen waren da in Treatise als musikalisch radikale Erneuerung längst vorgebildet:
Die Opposition gegen das bürgerlich-hierarchische Herrschaftsprinzip etwa (eines Komponisten, einer Partitur, eines
Dirigats, eines Materials). Dabei legte auch Cardew Wert darauf, daß die Partitur kein beliebiger, unverbindlicher
Improvisationsanlaß sei, sondern für die entstehende Musik - vermittelt allerdings durch die Kreativität
und Phantasie des jeweiligen Musikers - maßgeblich sei. Vorgebildet war ebenso die Alternative zu jener bürgerlichen
Hierarchie, daß nämlich jeder Mensch gleiche (Bildungs)Chancen habe, sowie das Recht für Jeden, unabhängig
von seiner Bildung aktiv am Kunstprozeß teilzunehmen. Und Treatise artikulierte nicht zuletzt die Bevorzugung kollektiver
Arbeitsweisen gegenüber selbstherrlichem Spezialistentum, eines Kollektivismus, der allerdings das Recht auf individuelle
Selbstbestimmung einschloß.
Die Partitur
Treatise umfaßt 193 Blätter im kleineren DIN A4-Format, die von links nach rechts zu lesen sind und durch
eine Ringbindung zusammengehalten werden. Offenbar ist durch diese Bindung jedoch keine Reihenfolge festgelegt, obwohl
die Art der Symbole und Gestalten die Verbindung bestimmter Blätter zumindest nahelegt. Theoretisch aber kann jedes
Blatt für sich wie auch in einer unendlichen Zahl an Kombinationsmöglichkeiten gespielt werden. Die Auswahl
und Zusammenstellung wie auch die Entscheidung für bestimmte Instrumente obliegt einzig den Musikern. Dem Komponisten
war es beim Schreiben dieser graphischen Partitur allerdings wichtig, daß “ein Zeichen geeignet sein muß einem
anderen Zeichen zu folgen” und daß es “passend in seinem Kontext sein muß” 12 ,
was einen gewissen linearen Verlauf nahelegt.
Laut seiner Working Notes begann Cardew die Ausarbeitung zu Beginn des Jahres 1963 auf der Basis eines Systems von
67 graphischen und musikalischen Elementen. Diese Elemente umfassen zum einen als Konstanten zwei parallele Notenzeilen
und eine das Blatt quer teilende, sich über fast alle 193 Blätter ziehende dicke Linie, die “Lebenslinie”,
als relationalen Bezugspunkt der verschiedenen Gestalten. Zweitens gibt es geometrische Figuren: Kreise (schwarze
und weiße, kleine und große), Rechtecke, Quadrate und Winkel ( kurze gebogene und gerade ) wie auch teils
vielfache parallele, flächenbildende oder sich überkreuzende Linien, ... Drittens befinden sich, aber keineswegs
auf allen Blättern zwischen einzelnen Gestalten Zahlen und viertens, sehr selten, musikalische Symbole wie Noten
und Notenschlüssel, die merkwürdig unfunktional im Blatt stehen. Zu den wesentlichsten Elementen gehört
außerdem
die Weiße, die Leere des Blattes, in die Cardew diese Elemente hineinstellt. Möglicherweise ist auch diese
Weiße eine Referenz an Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus, der mit dem vielzitierten Satz endet: “Wovon
man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.” 13 Aus
dem Schweigen erwachsen musikalische Elemente, Figuren, Zusammenhänge, Stille ist der Urgrund von Musik.
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Diese visuellen Elemente sind zu Gestalten zusammengefügt, für deren Gestaltbildung eine “Animating
Analysis” des Block Museums of Art in der Northwestern University von Chicago vier überzeugende Prinzipien
deduzierte: Proximity (= Nähe, Elemente, die eine visuelle Einheit bilden), Similarity (= Ähnlichkeit, Elemente,
die in kleinen Einheiten gruppiert sind), Continuation (= Weiterführung, graphische Strukturen, die über mehrere
kleine Gestalten hinwegreichen) und Closure (= Geschlossenheit, Gestalten, die in sich relativ geschlossene Gestalten
bilden) 14. Musikalische Elemente wie Tonhöhe, Dauer, Dynamik und Klangfarbe dagegen wie überhaupt
die musikalische Zusammenhangbildung ist ausschließlich Sache der Musiker. Dabei war Cardew eins vorallem wichtig,
wie er im März 1963 notierte: “Interpreten! Denkt daran, daß die Symbole keine Bedeutung haben. Sie
sind immer im Kontext ihrer Rolle innerhalb des Ganzen zu deuten. Unterscheidet Symbole, die Raum einschließen
(Kreise zum Beispiel) und solche, die eine charakteristische Besonderheiten haben. Welche Symbole dienen der Klangbildung
und welche der Orientierung. Zum Beispiel: Die horizontale Zentrallinie (“horizontal central bar”; bar =
auch Riegel, Schranke, Sperre) ist die konstante und wichtigste Orientierung; [...]” 15 Daraus ergibt
sich neben der Linearität von Kontextbildung in der Zeit eine zweite Orientierung im vertikal geteilten, nicht spiegelbildlichen
Raum.
Eine Besonderheit des Kompositionsprozesses jenes “musikalischen Tractatus” bestand darin, daß er
innerhalb eines interaktiven Prozesses von Notation und Aufführung entstanden ist. Theorie und Praxis gingen eine
fruchtbare Dialektik ein. Bereits im Juni 1964, da war knapp die Hälfte der Partitur bis Seite 99 fertiggestellt,
wenngleich davon später noch zahlreiche Seiten überarbeitet wurden, gab es im Juni 1964 eine erste Aufführung
auf der Terrasse der Festung Belvedere von Florenz. (Cardew belegte zwischen Februar und Juni 1964 den Kompositionskurs
bei Goffredo Petrassi). Frederic Rzewski (Geräusche vom Klavier und anderen Quellen), Mauricio Kagel (lautes Lesen),
Italo Gomez (Cello) und Sylvano Bussotti (Schlagzeug) und der Komponist (Pfeifen) spielten die Seiten 57-60 und 75-79.
Im Mai 1965 folgte eine zweite Aufführung im Forest Technical College London und zwar der Seiten 89-106 durch
John White (Tuba), Roger Smalley (Piano), John Tilbury (Piano), David Bedford (Akkordion, Clem Adelman (Saxophon) und
wiederum den Komponisten (Gitarre und Dirigent). Eine dritte Aufführung fand im September 1965 statt und zwar der
Seiten 45-64, 74 und 89-127 im Royal Theatre Stratford (London). Interpreten waren wiederum John Tilbury (Piano) und
Cornelius Cardew (Cello), außerdem Kurt Schwertsik (Horn), John Surman (Saxophon), Keith Row (Elektrische Gitarre)
und Peter Greenham (Dirigent). Und so ging es weiter: im Oktober 1965 am Warford Institute of Technology London (Seiten
107-126), am 15. Januar 1966 mit einer Aufnahme der BBC (Seiten 107-126), am 19. Feburar 1966 am American Artist Centre
Paris (Seiten 89-142), im September 1966 beim Warschauer Herbst, im Dezember 1966 in Buffalo 16 , im Januar
1967 in London, im September 1967 in Prag usw. Eine erste, nicht aufgezeichnete Gesamtaufführung - obwohl diese
sicher nicht der Zweck von Treatise ist - gab es am 8. April 1967 am Commonwealth Institute London. Sie dauerte 150 Minuten.,
Ausführende waren Zygmund Krauze, John Tilbury, David Bedford, John White, Egon Mayer, John Surman, Lou Gare, Laurence
Sheaff, Eddie Prévost, Keith Row, Robin Page und Cornelius Cardew als Dirigent. 17 Eine zweite Gesamtaufführung
fand erst 32 Jahre später am 15. Februar 1998 in Chicago statt (durch Jim Baker: Piano, electronics; Carrie Biolo:
Vibraphon, Schlagzeug; Guillermo Gregorio: Klarinette, Altsaxophon; Fred Lonberg-Holm: Cello, electronics und Art Lange:
Dirigent), die 1999 auf 2 CDs bei dem Schweizer Label hat[now]ART erschienen ist. Nachdem Cornelius Cardew 1981 durch
einen Verkehrsunfall gestorben war (ermordet worden ist), ließen die Aufführungsinitiativen nach. Der “Mount
Everest” der graphischen Partituren, wie Treatise auch genannt wurde, läßt sich anscheinend nicht so
leicht erklimmen. Ihren Antizipationsgehalt aber, der verkonsumierendes Verhalten ausschließt, ihr darin utopisches
Potential, hat sie als musikalische Herausforderung bis heute bewahrt. Das wird vor allem in dem Moment deutlich, wenn
sich junge Musiker unabhängig von den ehemaligen Freunden Cornelius Cardews wie John Tilbury Eddi Prévost
oder Keith Row, die seit Jahrzenten Treatise oder The Great Learning um die Welt tragen, durch diese Partitur angesprochen
fühlen.
Die Hamburger Aufführung
Die Hamburger Aufführung des Improvisations-Ensembles serve music entstand für die Hörbar, eine jeden Mittwoch
veranstaltete Konzertreihe für experimentelle Musik im alternativen Filmtheater B-movie Hamburg am 25. März 2005.
Ausgewählt wurden dafür die Seiten 1/2, 4/5, 7-14, 21/22, 28/29, 42-44, 47, 132, 132-134, 135, 183, 189, 192/193.
Daß überhaupt einzelne Seiten ausgewählt wurden, war vor allem dem Termindruck des Konzertes geschuldet,
angesichts dessen die gesamte Partitur nicht bewältigbar schien. Kriterien für diese Auswahl waren zum einen subjektiver
Art: “Assoziationen, Gefallen, Interesse” der beteiligten Musiker, aber auch “das Bemühen, möglichst
alle typischen Formen zu berücksichtigen” 18 . Das Instrumentarium
wiederum folgte der professionellen Besetzung von serve music: Elektrische Gitarre (Sascha Demand), Kontrabaß, Violine,
Gitarre (Nikolaus Gerszewski), Cello (Sonja Roczek), Saxophon, Trompete, Trompsax (Hannes Wienert).
Gisela
Nauck
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1 Cornelius Cardew, Treatise: Working Notes, Aufzeichnung vom 8. Februar 1963, in: Treatise Handbook, London/Frankfurt/New
York, Edition Peters 1971, S. ii (Übersetzung dieses wie auch aller anderen Zitate.: G. Nauck.)
2 Ebd.
3 Vgl. die Tagebuchnotiz vom 18. November 1966 in Buffalo, mitgeteilt in: John Tilbury, Cornelius Cardew, Anmerkung
9, zit. n.: JEMS. An Oneline Journal of experimental Music, Studies, Reprint Series, http://www.users.waitrose.com/~chobbs/jems.html
4 Bei der Edition Peters London.
5 Cornelius Cardew, zit.n. Michael Parsson, “... 44 Lacher und komisches Gehen ...” Das Sratch Orchestra,
Fluxus und die visuellen Künste, in: Positionen Nr. 45/2000, S. 34
6 Ders., Treatise: Résumé of pre-publication performances, in: Treatise Handbook, a.a.O.
7 Beide Zitate Ders., Treatise Handbook, zit. n., Peter Niklas Wilsson, Hear and Now, Hofheim 1999, S. 21 und 14
8 Michael Parssons, zit. n. http://www.matchlessrecordings.com/other_set.html, (Übers.:G.N.)
9 Cornelius Cardew, Treatise Handbook, a.a.O., S. X
10 Vgl. den Aufsatz von Michael Parsson: “... 44 Lacher und komisches Gehen ...”. ..., in: Positionen Nr.
45/2000 + 46/2001 (zwei Teile).
11 Felix Klopotek, Every Noise has A Note. Neue Musik und Linksradikalismus, in: ders. How they do it. Free Jazz, Impsovisation
und Niemandsmusik, Mainz: Ventil-Verlag 2004 (2. Aufl.), S. 58.
12 Cornelius Cardew, Working Notes, Eintrag vom 19. Juli 1963, a.a.O., S. ii
13 Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, edition suhrcamp, Frankfurt/Main 1963, S. 115.
14 http://www.blockmuseum.northwestern.edu/
picturesofmusic/pages/anim.html
15 Cornelius Cardew, Working Notes, Eintrag 19. Juli 1963, a.a.O., S. ii
16 Cornelius Cardew war 1966/67 Mitarbeiter am Center of Creative and Performing Arts der Staatlichen Universität
in Buffalo/New York.
17 Alle Daten nach: Cornelius Cardew, Treatise: Résumé ..., a.a.O.
18 Sascha Demand, mitgeteilt in einem Brief an die Autorin vom 15
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