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Stephan Froleyks 1. Bartleby 12:36 |
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Nina Polaschegg für Neue Zeitschrift für Musik, Mai 2004 |
Ein besonderer Streich ist Stephan Froleyks mit seinem Klangkunstwerk
'so sieht die welt in blau aus' gelungen, erschienen bei BERSLTON in der
NURNICHTNUR Kunst- und Musikproduktion. Was hier mit dem bescheidenen Untertitel
'neue klänge, feine musik' daherkommt, erweist sich als einzigartiges
musikalisches Fabulieren, das vor Erfindungsreichtum nur so strotzt - fantasievoll,
von skurrilen Ideen überquellend und voller Poesie. Mit selbstkonstruierten
Instrumenten oder umfunktionierten Alltagsgegenständen - zu nennen
sind etwa Blumenkästen, eine Flötenmaschine und eine Saitenwanne
- rückt Froleyks den vier in Worten erzählten oder auch verschwiegenen
Geschichten zu Leibe, die durch jeweils zwei kurze, kaum eineinhalbminütige
Zwischenspiele voneinander getrennt sind. Teils im Multitrack-Verfahren
mit sich selbst musizierend ('Ich spiele zusammen, keiner spielt allein'),
teils mit Unterstützung von Musikern wie Mike Svoboda (Posaune in 'Bartleby')
und Georg Hajdu (Live-Elektronik und Ko-Komponist in 'Storyteller'), werden
assoziativ aufgeladene Klänge zu transparenten Klangnetzen ausgesponnen,
deren suggestiver Wirkung sich die Fantasie des Hörers kaum entziehen
kann. Abgerundet wird das kurzweilige Werk durch eine für jede CD individuell
gestaltete weiße Kartonhülle mit blauem Farbauftrag.
Stefan Drees in 'Positionen' sechzig |
STEPHAN FROLEYKS ist Komponist, Instrumentenerfinder, Schlagzeuger und Professor an der Musikhochschule in Münster und manchmal macht er blau. Mehrere solcher Streifzüge ins Blaue verdichtete er nun zum Erfahrungsbericht So sieht die Welt in Blau aus (Berslton 1031029). An den Anfang gesetzt ist eine Kurzfassung von Melvilles ‚Bartleby‘ [für geschweifte Tuba, Stimme und Posaune & Resonanzraum eines Flügels], wobei Froleyks den in die dunklen Klänge des tiefen Blechs gehüllten Schwerpunkt verschiebt von Bartlebys Totalverweigerung auf den Schmerz des Erzählers angesichts des hoffnungslosen Falles. Für ‚Ich spiele zusammen, keiner spielt allein‘ [für Flötenmaschine, Blumenkästen, Hölzer, geschweifte Tuba, Saitenwanne, Messertisch] mutiert Froleyks durch Multitracking zum Ensemble, spielend wird er zur Mehrzahl, wer spielt, ist nie allein. Genausowenig wie ein ‚Stiller Garten‘ still ist. Denn wenn Gitarre, Posaune, Schlagzeug & Saitenwanne nicht wären, mit denen die Welt ganz vorsichtig ein bisschen blau getupft wird, gäbe es immer noch die O-Töne: Vogelgezwitscher, das Piano in der Nachbarschaft, Schritte, den Wind, der bekanntlich ein Lied erzählt. Das Erzählen selbst rückt in den Mittelpunkt bei ‚Storyteller‘ [für Schlagzeug, Sprecher & Live-Elektronik], einer Gemeinschaftskomposition mit Georg Hajdu. Erzählt wird, weitgehend nur mit fragiler Perkussion, das buddhistische Märchen vom Trommelschläger und seinem Sohn. Der Sohn kann auf dem Heimweg vom Fest in Benares das Getrommel nicht lassen und zieht damit Straßenräuber an, die den beiden ihren ganzen Verdienst abknöpfen. Merke: Lärm macht reich, Lärm macht arm, der Kontext ist unbedingt wichtig und oft wählt man mit der Stille den besseren Teil. Zwischen diese ‚Geschichten‘ schiebt Froleyks als Raumteiler und Spanische Wände ‚Toppot 1 -6‘, auf Blumenkästen geklöppelte Perkussionsminiaturen. Rigobert Dittman, Bad Alchemy 46 |